Bundestagung 2023

von Vanessa Schöpp

Von 29. September bis 1. Oktober 2023 fand in Neuhofen an der Ybbs die Bundestagung der Österreichischen Trachten- und Heimatverbände statt. 117.000 Mitglieder fast der Bund österreichweit. Gastgeber der jährlichen Sitzung war diesmal Niederösterreich. Der Schwerpunkt der Arbeitstagung lag auf der Attraktivierung des Ehrenamtes und der Stärkung der Frauen in Vereinsfunktionen.

Zwei Vorträge lieferten dazu inspirierende Impulse. Journalistin und Autorin Christine Haiden führte eindrucksvoll vor Augen, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und sozialen Werte in den letzten Jahrzehnten wandelten. Gerade Frauen haben sich und ihren Lebensstil deutlich verändert. „Ihre Ansprüche sind gewachsen, der persönliche Nutzen wurde wichtiger. Sich einfach in Traditionen einzufügen, ist nicht mehr so gefragt“, erklärt Haiden. Bekleiden Menschen ein Ehrenamt, wollen sie das als unverzichtbarer Teil der Gemeinschaft machen und einen persönlich befriedigenden Sinn darin sehen. Dieser Sinn müsse stärker kommuniziert werden, um Menschen für freiwillige Arbeit gewinnen zu können. Bilder, Sprache und Kanäle der Kommunikation müssen so gestaltet sein, dass sie bei der gewünschten Zielgruppe ankommen. „Es braucht Pepp, Mut und die Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“, appelliert die vielfache Funktionärin aus ihrer eigenen Erfahrung. Sie rät den Trachtenverbänden, Veränderungen zuzulassen, denn ein Verein sei kein Museumsbetrieb. „Traditionen und Werte sind ein gutes Fundament für Veränderung und Erneuerung ist eine lustvolle Aufgabe“, so Haiden.

Sinn eines Engagements erklären
In die selbe Kerbe schlug auch Katrin Zechner mit ihrem Vortrag. Sie ist Coach, Erwachsenenbildnerin, Bäuerin und ebenfalls ehrenamtlich engagiert. Zechner stellte das Modell des „Goldenen Kreises“ eines amerikanischen Marketingexperten vor. Viele Organisationen und Marken erklären zwar ausführlich, was und warum sie etwas machen. Der innerste Kern des Kreises – das „Warum“ – wird aber zu wenig kommuniziert. Genau dies sei jedoch vielfach der Antrieb, weshalb sich Menschen in einem Verein engagieren und müsse auf jeder Website, jeder Einladung enthalten sein. „Darin liegt der eigentliche Sinn, die Kraft und Motivation, sich zu beteiligen oder zu einer Veranstaltung zu gehen“, so Zechner.

Sie empfiehlt auch, die Hauptbedürfnisse des Gesprächspartners zu erforschen und entsprechend zu argumentieren. Ihr Modell teilt Menschen grob in vier verschiedene Gruppen ein: Profitorientierte Personen streben nach der Optimierung von Zeit, Geld oder Leistung. Menschen mit Prestige-Bedürfnis möchten gerne Anerkennung ernten. Strebt jemand nach „Peace“, bevorzugt er ein sicheres, bequemes Leben und Verlässlichkeit. Personen mit einem Bedürfnis nach „Pleasure“ lieben Spontanität, Spaß und Lust auf Neues. Entsprechend dieser Einordnung müssen die dargelegten Argumente bei der Suche nach neuen Ehrenamtlichen angepasst werden.

Frauen und Jugend in Gremien bringen
Die anschließende Diskussion mit dem Publikum und einem hochkarätigen Podium griff die Inputs der Referenten begeistert auf und bestärkte diese. Bernhard Thain, Obmann des NÖ Blasmusikverbandes, berichtete von der Einbindung von Frauen in Leitungsfunktionen und von der Jugendarbeit. „In der Blasmusik ziehen alle Mitglieder gesellschafts- und generationsübergreifend an einem Strang. Traditionen und Werte geben Halt, müssen sich aber stetig weiterentwickeln“, so der Landesobmann. Auch Angelika Keiblinger, Obfrau des Landesverbandes Volkskultur Niederösterreich, hielt in ihrer Wortmeldung ein Plädoyer für heterogen besetzte Vereinsvorstände mit Jungen und Frauen. Rupert Klein, amtierender Präsident des Bundes der österreichischen Trachten- und Heimatverbände fasst die lebhafte Diskussion mit einem klaren Appell zusammen: „Wir müssen künftig viel mehr über das `Warum` erzählen, um neue Mitglieder zu gewinnen – und aus neuen Mitgliedern werden irgendwann neue Funktionärinnen und Funktionäre“.

Neue Projekte in den Arbeitskreisen besprochen
Fixer Bestandteil jeder Bundestagung sind Arbeitskreise der fünf Bereiche des Bundes. Die Vizepräsidentinnen Walli Ablinger-Ebner aus Salzburg und Ulrike Bitschnau aus Vorarlberg sowie die Obleute der Bundesländer präsentierten der Generalversammlung zwei neue Projektideen. Unter dem Motto „Tracht in der Stadt“ sollen in allen Landeshauptstädten typische Regionstrachten des Bundeslandes vorgestellt werden. Weiters soll ein Preis für besondere Leistungen oder Projekte von Vereinen in vier Kategorien vergeben werden: Gesellschaft und Gemeinschaft, Kinder und Jugend sowie Leuchtturmprojekte der Vereinsarbeit. Auch besondere Menschen und ihre Kenntnisse sollen ausgezeichnet werden. Eine kleine Gruppe arbeitet die konkreten Schritte dieser beiden Projekte aus.

Die Österreichische Trachtenjugend (ÖTJ) beschäftigt sich in den nächsten Monaten mit der Evaluierung bzw. Implementierung eines Kinder- und Jugenschutzkonzeptes. Dieses ist künftig für die Ausschüttung von Förderungen durch das Bundeskanzleramt vorgeschrieben.

Der Arbeitskreis „Tracht“ stellte das Programm der nächstjährigen Trachtenexkursion ins Burgenland vor. Darüber hinaus wurde intensiv über eine geplante EU-Verordnung zum Schutz des geistigen Eigentums handwerklicher Produkte diskutiert. Die Mitglieder des Arbeitskreises werden Experten um ihre Einschätzung befragen, ob und welche Auswirkungen diese EU-Verordnung auf die Herstellung von regionstypische Trachten haben könnte.

Der Presse-Arbeitskreis machte sich Gedanken, die Zeitschrift „Unser Brauch“ mit Artikeln aus den Bundesländern weiterzuentwickeln, die Leser stärker an das Magazin zu binden und mehr Abonnenten zu gewinnen.
Im Arbeitskreis Volkstanz standen Schulungen und Seminare sowie deren Weiterentwicklung auf Bundesebene im Fokus.

Niederösterreich-Abend präsentiert Vielfalt
In der anschließenden Generalversammlung wurde einmal mehr die Bedeutung der Trachten- und Heimatverbände betont, die in allen neun Bundesländern wichtiger Teil der regionalen Identität und Motor des kommunalen Kulturlebens sind. Dies betonten auch Maria Kogler, Bürgermeisterin in Neuhofen an der Ybbs sowie Maria Forstner, Obfrau der NÖ Dorf- und Stadterneuerung. Auch internationale Tätigkeiten, Austauschprogramme und Festivals wurden vorgestellt.

Neben der Arbeit an Zukunftsvisionen kam auch das Vergnügen nicht zu kurz. Beim Niederösterreich-Abend präsentierte die niederösterreichische Volkskultur ihre Vielfalt und Qualität. Das bewiesen die Junge Ybbsitzer Marktmusi, die Sängerrunde Neuhofen, die Volkstanzgruppe Texing/Kirnberg und die Kothbergtaler Schuhplattler. Vertreterinnen der Goldhaubengruppen bereicherten den bunten Abend mit ihrer prächtigen Festtracht. Durch den Abend führte Elisabeth Jagersberge rmit viel jungen Charme. Landtagsabgeordneter Anton Kasser überbrachte Grußworte der Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

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